Ärztliche (Nicht-)Versorgung in Bayern dank 116117

Wow, das möchte ich schon mal dokumentieren, und sei es nur für mich als Erinnerung. Daran, wie Sein und Schein in einer neoliberalen, profitmaximierten Gesellschaft auseinander klaffen.

Wir waren im Urlaub, im Feriendorf Reichenbach bei Nesselwang im Allgäu.

Am Dienstagvormittag ca. 11 Uhr, 6. Juni 2017, also einem normalen Werktag zu normalen Arbeitszeiten, habe ich festgestellt, dass meiner dreijährigen Tochter Ina irgendwas in der Hornhaut im Auge gesteckt hat. Vermutlich ein Hornhautfremdkörper.

Also via Google den nächstliegenden Arzt gesucht. Dort angerufen, Bandansage dass im Urlaub ist, und dass ich mich an die bundesweite Nummer 116 117 wenden soll. Das ist der so genannte “ ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigungen“.

Dort habe ich dann angerufen, kommt erst mal Band, dass ich außerhalb der normalen Zeiten anrufe. Ich könne aber die „1“ für Bayern drücken.

Also habe ich die „1“ gedrückt und bin irgendwann bei einer Person raus gekommen.

Dort habe ich dann mein Anliegen geschildert, sie sagte mir wiederum, dass ich außerhalb der Zeiten anrufe. Mir zu Liebe hat sie dann ein paar Ärzte für mich rausgesucht. Auch den, den ich schon angerufen hatte. Auf meinen Einwand sagte sie dann, sie wisse nicht, ob die Ärzte auch tatsächlich Dienst haben.

Dann habe angefangen, die Liste abzutelefonieren.

Position 1 war ja schon im Vorfeld durch Urlaub weggefallen.

Position 2 habe ich angerufen, meinen Fall und die Dringlichkeit geschildert. „Wir sind voll“ kam die Antwort. Ich habe gesagt, ich zahle gerne auch privat, Hauptsache Ina wird geholfen. Das sei ihr egal, es ginge einfach nicht. „Bitte helfen Sie meiner Tochter“. Nein, sorry, keine Chance. „Ich hoffe, meine Tochter erblindet nicht“ war meine Antwort. „Auf wiedersehen“ ihre.

Position 3 hat mir dann tatsächlich für 14 Uhr einen Termin gegeben („Aber mit entsprechend Wartezeit“). Das war im ca. 30 km entfernten Kempten.

Dort sind wir dann auch hin. Inzwischen hatte sich der Fremdkörper von selbst gelöst gehabt. Zur Sicherheit war mir ein Arztbesuch trotzdem wichtig. Nach ca. 2 Stunden Wartezeit sind wir dann dran gekommen. Die Ärztin hat sich alles angeschaut und laut eigener Aussage auch den Macken noch sehen können. Ina hat super still gehalten und fröhlich mitgemacht. Die Ärztin meinte es gäbe keine Folgeschäden, und hat mir noch ein paar Augentropfen mitgegeben (bloße Placebo-Tränenflüssigkeit-Ersatzflüssigkeit, aber immerhin).

Anschließend habe ich noch einen Schein in die Kaffeekasse gesteckt; Ina hat sich noch ein Geschenk bei den Arzthelferinnen aussuchen dürfen und ich habe ihr noch im Supermarkt Gummibärchen gekauft.

Dann sind wir wieder zurück ins Feriendorf Reichenbach gedüst.

Epilog

Ich bin entsetzt, wie schlecht es um die tatsächliche Hilfe im Notfall bestellt ist.

Ina war zum Glück nur ein leichter Fall, doch was hätte ich bei etwas wirklich Akutem machen sollen? Es hieß zwar immer wieder bei den Bandansagen, bei echten Notfällen solle ich die 112 anrufen, jedoch vermute ich, dass ich dort auch hingehalten/abgewimmelt worden wäre.

Vermutlich ist es im Gesundheitsbereich genau so wie z. B. auch bei der Polizei; alles wird immer mehr kaputt gespart, Personal abgebaut und statt dessen durch unwirksame aber günstige Dinge wie Kameraüberwachung oder eben so etwas wie 116 117 ersetzt.

Scheiß Neoliberalismus!

Ich würde gerne in einer Welt leben, in der alle wichtigen Dinge (Strom, Internet, ÖPNV/Verkehr, Gesundheit, usw.) in staatlicher Hand sind, und nicht profitorientiert betrieben werden. Das würde ich mir gerne auch ordentlich kosten lassen.